Aufklärung und Reformjudentum
Die jüdische Aufklärung (hebräisch: Haskala) entwickelte sich im Zuge der europäischen Aufklärungsbewegungen als jüdische Strömung. Ihre Anhänger, die Maskilim und unter ihnen als ihr Nestor Moses Mendelssohn, wollten der kulturellen und gesellschaftlichen Isolation der Juden entgegenwirken und setzten auf die Aneignung von Bildung und weltlichem Wissen – ein Weg, den sie selbst bereits erfolgreich beschritten hatten. Der Autodidakt Mendelssohn hatte sich als Kind neben Hebräisch auch Latein, Griechisch
und Französisch beigebracht. Durch seine Bibelübersetzung ins Deutsche, allerdings mit hebräischen Buchstaben, ermöglichte er seinen Glaubensbrüdern und -schwestern, über die Lektüre der heiligen Schriften die Landessprache zu erlernen – damit war der erste Schritt zur weltlichen Bildung und gesellschaftlichen Teilhabe gegangen.
Neben den Emanzipationsbewegungen, die eine rechtliche Gleichstellung anstrebten, hielten auch innerhalb der jüdischen Minderheit religiöse Reformen Einzug. Zu den führenden Reformern gehörte neben Israel Jacobson und Abraham Geiger auch Leopold Zunz, der als Schüler die Samsonschule besucht hatte und dort anschließend
auch als Lehrer tätig war. Die ersten reformierten Gottesdienste in Deutschland erfolgen in Seesen (1810) und Berlin (1818) und erhielten eine Ausrichtung, die stark an den protestantischen Ritus angelehnt war. An Stelle eines Vortrages, der die Auslegung des wöchentlichen Toraabschnittes beinhaltete, trat nun eine Predigt. Chorgesang und Orgelspiel hielten Einzug, ein Novum in Synagogen. Die ursprünglich hebräische Gebetssprache wurde vielfach durch die Landessprache ersetzt. Ziel der religiösen Reformen war die Vereinbarung der jüdischen Tradition mit der modernen deutschen Kultur.